Stattdessen sind tarifliche Verhandlungen auf Branchenebene zwischen einzelnen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden nach wie vor die zentrale Bühne für die Festlegung von Löhnen und Bedingungen in Deutschland. Getrennte Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und bestimmten Unternehmen sind weniger verbreitet, obwohl es einige Ausnahmen gibt (z. B. die Vereinbarung über den Automobilkonzern Volkswagen), und sie sind häufiger in der ehemaligen DDR zu finden (siehe unten). 4 Die “Konzertierte Aktion” war eine dreifache Form des Neokorporatismus (Staat, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften). In den späten 1960er Jahren einigten sich die Gewerkschaften darauf, Lohnerhöhungen im Austausch gegen Investitions- und Beschäftigungsverpflichtungen der Arbeitgeberverbände und die Ausweitung der Sozialstaatsprogramme durch den Staat zu mäßigen. Dieser Abwärtstrend ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Arbeitgeber die Arbeitgeberverbände verlassen oder alternativ in ihnen bleiben, ohne an die von ihnen unterzeichneten Vereinbarungen gebunden zu sein (sogenannte OT-Mitgliedschaft), sowie darauf, dass neue Unternehmen entstehen und bestehende verschwinden. (Neue Unternehmen sind seltener an Vereinbarungen auf Branchenebene gebunden als bestehende.) Der Rückgang der Berichterstattung scheint in Ostdeutschland gestoppt zu haben, wo er seit 2012 weitgehend stabil geblieben ist, aber er hat sich in Westdeutschland fortgesetzt, wo die Gesamtverhandlungsabdeckung 2018 um 4 Prozentpunkte niedriger war als 2012. [7] 25Zu Beginn der Krise waren vor allem die Leiharbeiter entlassen worden, damit die Unternehmen den Druck, ihre qualifizierten Festangestellten zu entlassen, verringerten. Als die Weltwirtschaft endlich wieder richtig in Schwung kam (zumindest was die Nachfrage nach deutschen Exportgütern angeht), waren die deutschen Unternehmen auf diese Situation bestens vorbereitet. Sie könnten die wachsende Nachfrage durch eine rasche Erhöhung der Produktionskapazitäten decken und die Arbeitskosten durch Krisenvereinbarungen mit den Gewerkschaften senken (dies wird im Folgenden analysiert). So wurde die deutsche Wirtschaft durch die Krise tatsächlich gestärkt und war auf volatilen Weltmärkten wettbewerbsfähiger geworden. Der Grund dafür ist die Radikalisierung ihrer “vergleichlichen Vorteile” (Halle/Soskice 2001) in Verbindung mit der – paradoxen – Schwächung der eigenen Stiftungen (Streeck 2009) 30Die spezifische Institutionalisierung des Klassenkonflikts durch ihre Trennung vom politischen Prozess ist eine zentrale Voraussetzung für die Integration der Gewerkschaften.
Das Aktionsfeld der Gewerkschaften wird durch die Autonomie freier Tarifverhandlungen gewährleistet, aber es schränkt auch den Umfang der Gewerkschaftspolitik im Hinblick auf Konflikte über Bezahlung und Arbeitsbedingungen ein. So werden Querschnittsthemen, wie z.B. die Gestaltung des Wohlfahrtsstaates, die unmittelbare Auswirkungen auf die Klassenverhältnisse haben, teilweise aus dem Bereich der Gewerkschaften entfernt. Diese werden an das politische System delegiert. Deutsche Tarifverträge regeln ein breites Spektrum von Themen. Neben der Bezahlung befassen sich die Vereinbarungen auch mit Fragen wie Schichtarbeitszahlungen oder Lohnstrukturen, Arbeitszeit, Umgang mit Teilzeitbeschäftigten und Ausbildung. Im Jahr 2017 wurden rund 1,4 Millionen Arbeitsplätze zum nationalen Mindestlohn bezahlt.